21. August 10


Teil I: Ideologische Blendgranaten

Ich halte nicht viel von den Ideologie-Debatten "Kommunismus vs. Kapitalismus" und "Liberalismus vs. Sozialismus", "Keynes vs. Hayek" etc. pp. Sie lenken unseren Geist ab, weg von den drängenden Fragen dieser Zeit.

Konkreter: Weder haben wir "zuviel Staat", dessen dumpfe Macht es einzudämmen gilt, noch haben wir zuviel "Freien Markt", der unseren Lebensraum zerstört. Was wir wirklich haben, sind multinationale Konzerne, die unsere Regierungen direkt und indirekt kontrollieren, plündern und für ihre Zwecke instrumentalisieren.

Man könnte sagen: Wir leben im Konzern-Kommunismus, in der Aufsichts-Räterepublik.

An alle Oldschool-Ideologen da draußen: Ich weiß, das klingt merkwürdig, aber was wir brauchen ist zugleich mehr Staat UND mehr freien Markt !

Sehen Sie, Liberalismus und Sozialismus enthalten beide sehr wertvolle Gedanken. Letzterer fordert insbesondere, den Partikularinteressen der freien Wirtschaft eine Macht gegenüberzustellen, die dem Gemeinwohl verpflichtet ist, wozu besonders das Wohl des "kleinen Mannes" gehört. Richtig. Nicht mehr existent. Wir brauchen aber einen starken, von den Konzernen unabhängigen Staat, der dem Gemeinwohl verpflichtet ist und auch die freie Marktwirtschaft erst möglich macht!

Der Liberalismus/Libertarismus fordert die Freiheit des Individuums, sich in der von ihm gewünschten Weise wirtschaftlich zu betätigen und damit potentiell erfolgreich zu werden. Außerdem richtet er sich allgemein gegen die Gängelung des Individuums durch die Obrigkeit (wozu nicht nur der Staat gehört!). Ein schöner Gedanke des Liberalismus ist es auch, kleine soziale Gemeinschaften (Familie, Nachbarschaft, Viertel...) in den Mittelpunkt zu stellen und nicht nationale oder gar globale Gemeinschaften. Alle diese drei Inhalte des Liberalismus werden aktuell mit Füßen getreten: Wo ist der freie Markt, wenn Konzerne mittels ihrer Kontrolle der Politik und der öffentlichen Meinung jede Form von wirtschaftlicher Initiative plattmachen? Wo bleibt Hayeks Informationsdefizit-Argument, wenn die Wirtschaft von globalen Konzernen gesteuert wird? Was die Gängelung des Individuums angeht: Siehe Google Streetview, Mobilitätsdruck etc. - wer sagt, wir könnten nur vom Staat gegängelt werden? Jaja, das Individuum in seiner lokalen Gemeinschaft... Richtig ist: Die Globalisierung zerstört unsere so wichtigen Gemeinschaften allenthalben. Aber wir haben ja Facebook als Ersatz. Ha.

Das, was am Sozialismus gut und wichtig ist, ist sowieso längst out und wird nicht mehr ernst genommen, dank talentierter Spin doctors, die aus allem, was entfernt mit Sozialismus zu tun hat etwas dummes, rückständiges, nationalistisches, anti-fortschrittliches, un-erotisches, gar anti-semitisches gemacht haben.
Das, was am Liberalismus gut und wichtig ist, wurde von den Konzernen gedreht, geschliffen, manipuliert: Alle Konzern-Bonzen sprechen ständig vom freien Markt, Verantwortung, Freiheit, bla - dabei sind mit der Politik verbandelte Großkonzerne der Tod jeder Form von freier Marktwirtschaft und Bürgerrechten. Tatsächlich geht es ihnen mit ihrer völlig verdrehten "Freier Markt"-Polemik darum, dem Staat auch noch das letzte bisschen Macht über sie zu rauben. Auch das: ein typischer Spin.

Just sayin'.

(im nächsten Teil geht es um die dummen, aber gefährlichen Netz-Totalitaristen)







"Aufsichts-Räterepublik" - eine schöne Wortchöpfung!

Ja, ich hab mich auch darüber gefreut und schon befürchtet, dass es das schon gibt - immer ein gutes Zeichen... Danke und schöne Grüße!