25. Februar 11


Zur Causa Guttenberg finde ich zwei Aspekte sehr wichtig, die bis jetzt noch relativ wenig Beachtung fanden: Das massive Interesse vonseiten der Transatlantiker, "ihren" Mann nicht zu verlieren sowie der tiefe Riss in der bürgerlichen Gesellschaft, den diese Affäre sichtbar macht.

Zum ersten Punkt. Ich wurde ja schon stutzig, als KT quasi aus dem Nichts so dermaßen hochgehypt wurde. So etwas gibt es normalerweise in unserem politischen System nicht - die Ochsentour lässt grüßen. Und siehe da: ein wenig Recherche damals ergab, dass Gutti ganz klar dem mächtigen Dunstkreis der transatlantischen Elitenetzwerke angehört, die Verschwörungstheoretiker etwas spinnert als "Weltregierung" beschreiben. Zweifellos verfügt dieser Dunstkreis besonders in der Außenpolitik jedoch über ganz erheblichen Einfluss - durch seit den 50er Jahren sorgfältig gepflegte Netzwerke quer durch die Führungsetagen von Politik, Wirtschaft und Medien sowie zur Top-Elite in den USA.

Sehr gut zusammengetragen sind Guttis Mitgliedschaften und diesbezügliche Verflechtungen hier und hier, die Lektüre lohnt sich sehr und ich möchte das alles an dieser Stelle nicht wiederholen. Es besteht kaum ein Zweifel: Eine Menge Leute in diesen Netzwerken - erwähnt seien etwa die Atlantikbrücke und die DGAP - haben viel in KT investiert, und die wollen dafür auch was sehen. Das wurde ja auch schon auf den Nachdenkseiten leise angedeutet. Das heißt: Rücktritt ausgeschlossen. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Nebenbei bemerkt: Auch Friede Springer ist zufällig bei den Transatlantikern umtriebig - so sitzt sie etwa bei der DGAP im Präsidium. Das ist der deutsche Ableger des Council on Foreign Relations, wo Gutti schon sehr lange Mitglied ist. Kai Diekmann ist im Vorstand der Atlantik-Brücke, an dessen "Young Leaders"-Programm auch KT teilnahm...

Hat eigentlich in diesem Zusammenhang jemand mal darüber nachgedacht, dass die Bundeswehrreform zu 100% den amerikanischen Interessen entspricht? Ich mein, eine professionelle Interventionstruppe nach amerikanischem Vorbild zur Unterstützung der amerikanischen Kriege... Nein, Gutti darf nicht zurücktreten. Der wird gebraucht. Daher diese extrem durchorchestrierte Verteidigungslinie in Sachen Plagiat. Daher wohl auch diese dubiose Facebook-Gruppe. Daher sicherlich die Springer-Treue. Daher übrigens auch Guttis allgemein sehr amerikanisch anmutende PR-Linie (Afghanistan-Weihnachtsbesuch, AC/DC vor Wahlkampfreden etc.).

Nun hat sich aber etwas im Umgang mit der Affäre verändert, was ich sehr spannend finde: Die Unterstützung Guttis bröckelt an allen Fronten, sogar Teile der Atlantikbrücke möchten ihn nicht offen unterstützen (diese Netzwerke, so mächtig sie auch sind, sind ja keineswegs ein monolithischer Block und überdies sehr akademisch geprägt). Und selbst die Springer-"Welt", einst vollständig zu Diensten des Freiherrn, wird kritischer.

Und damit kommen wir zum zweiten Aspekt: zum tiefen Riss, der durch die bürgerliche Gesellschaft geht. Ist es nicht bezeichnend, dass konservative Medien wie die FAZ und das ZDF sowie eigentlich alle Medien (minus Gossenjournallie) Guttenberg seit Beginn der Affäre knacken wollen? Ich denke, wir sind hier Zeugen einer der letzten Schlachten der "vierten Gewalt", die ja in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung eingebüßt hat. Hier jault die Demokratie und mit ihr die Reste des klassischen Bürgertums angesichts der dreisten und offensichtlichen Lügen eines "Konservativen" ein letztes Mal auf. Hier wittern die Medien die Chance, sich wenigstens einmal gegen die globalisierten Eliten durchzusetzen, deren Machtinteressen einst zu großen Teilen mit denen des klassischen Bürgertums übereinstimmten, sich mittlerweile aber meilenweit davon entfernt haben. Hier demonstrieren die Journalisten, dass sie trotz allem mit demokratischen Werten sozialisiert wurden, dass sie über ein bisschen Restanstand und Restunabhängigkeit verfügen und ihnen diese Dreistigkeit gerade im Umgang mit der urbürgerlichen akademischen Welt zu weit geht. Dabei wissen oder spüren sie längst, dass sie sich im festen Würgegriff der transatlantischen Eliten befinden, deren Agenda (Marktöfffnung weltweit für die Konzernoligarchien, Sozialabbau, Privatisierung, Sicherheitszusammenarbeit mit den USA usw.) sie publizistisch nicht ernsthaft antasten dürfen. In diesem Fall dürfen sie wenigstens ihren Prinzen meucheln, und keiner kann ihnen das verbieten.

Anders gesagt: Die Bürger spüren immer mehr, dass sie in vielen wichtigen Fragen von der Politik nach Strich und Faden verarscht werden, aber nur selten ist es dabei so offensichtlich und so eklatant wie im Fall KT, der eigentlich als Wunderwaffe der Transatlantiker aufgebaut wurde. Hier kann endlich zurückgeschlagen werden, ohne sich aus dem Korsett des politischen Mainstreams lösen zu müssen.

Sollte es dem Bürgertum und dem bürgerlichen Journalismus gelingen, Gutti zum Rücktritt zu zwingen, gegen die massiven und mächtigen Interessen des internationalen Kapitals und ihrer Söldner und Profiteure in den transatlantischen "Elitenetzwerken", dann wäre das ein kleiner Etappensieg für die Demokratie. Im Moment spricht immer mehr dafür.







Sie hatten recht! Ich hatte es nicht so schnell kommen sehen, dass der Wind sich gegen Gutti dreht.

Das gibt mir auch ein wenig Glauben an das Gute im System zurück.