24. Februar 10


Gerade in Tagen, da vonseiten der Internet-Schmocks auf Verlage eingedroschen wird, während diese auf Plagiat-Parties dem unwürdigen Ende ihrer eigenen eitlen, gespaltenen, sensiblen Profession entgegenschreien, in Tagen, da ein gesetzter Literaturbetrieb erneut seine schräge Dreifaltigkeit aus Statthaltertum, Kunstimitation und Kommerz offenbart, in solchen Tagen ist "Karl Kraus: Das große Lesebuch" ein echtes Geschenk.

"Stille Kreuzottern zu töten, ist schnöde und der steirische Landtag zahlt für jede 12.[...]Ich zahle für jeden Literarhistoriker 13 Heller. Man folge mir in die Seminare, aber man scheue auch die Redaktionen nicht. Gerade dort nisten sie."

Aber abgesehen von der Freude, die Karl Kraus mit seiner sprachlichen Feuerkraft, mit seinen bösen Beobachtungen und Tiraden bereitet, mit denen er nicht nur, aber zuvorderst den Kulturbetrieb seiner Zeit zersägt, gibt es auch einen ganz handfesten Bezug zur Gegenwart: das Erscheinen des Buchs selbst.



Zunächst fällt mir nämlich die Schönheit der Umschlaggestaltung auf. Vielen neuen Büchern, ob Taschenbuch oder Hardcover, geht jeder bibliophiler Appeal vollständig ab. Eine Erklärung dafür, wenn auch keine hinreichende, mag wohl in der allgemeinen Amerikanisierung des Coverdesigns liegen: Groß, laut, verspielt. Umso schöner, dass man das Taschenbuch "Karl Kraus - Das große Lesebuch" optisch durchaus genießen kann. Und anfassen: Das Fischer-Logo ist gestanzt, was den Eindruck tatsächlich stark aufwertet.

Auch inhaltlich muss man Herausgeber und Verleger ein Kompliment machen: Das Buch enthält einen schönen Querschnitt aus Kraus' Werk, sortiert nach Themen, angereichert mit umfangreichen biographischen Daten und mehreren (guten!) Einträgen aus Kindlers Literatur Lexikon. Ich bin nicht unbedingt ein Fan des Konzepts "Lesebuch", aber hier macht es großen Sinn. Bei allem Schimpfen auf die ewiggestrigen Verlage und/oder sich ergehen in Nostalgie: Man muss eine solche verlegerische Leistung auch mal anerkennen, dieses Buch ist durchdacht, es steckt Liebe darin!

Natürlich gibt es auch zu nörgeln: Der Satzspiegel ist zu breit. Das Schriftbild überzeugt mich nicht. Warum traut sich eigentlich kein Verlag ein wenig mit der Typo zu experimentieren? Ich finde schon, dass bei einem Karl Kraus eine andere Schrift angemessen ist als bei einem Marketing-Ratgeber. Es muss ja nicht gleich penetrant retro sein. Nur subtil ein wenig mehr Schlüssigkeit. Da kann man viel machen.

Tja, und so stellt sie sich dar, die Verlagswelt von heute: Eingekeilt zwischen Amazon und Thalia/Hugendubel, abgegraben durch das Internet, sich rettend von billigem Hype zu billigem Hype als letzte Sprünge in einem grellen Tanz auf dem Weg in die Vergessenheit. Und irgendwo dazwischen, mitten im Gemenge ein paar versprengte Typen, die den berechtigten Stolz dieser traditionsreichen Branche noch erkennen lassen.