19. August 10
Hier
Oh oh, gerne würde ich ganz viel dazu schreiben, aber hab gerade keine Zeit. Nur soviel:
Merken die eigentlich nicht, dass die Konzerne (ja, Google ist auch an der Wallstreet, guess what) jetzt dazu übergehen, nicht mehr nur im Verborgenen, sondern ganz offensiv nach der Macht zu greifen - jetzt, da die Welt vor einem beispiellosen wirtschaftlichen Niedergang steht, ausgelöst durch knappe Ressourcen, und der große Verteilungskampf beginnt? Die revolutionäre "Transparenz" ist nichts als ein riesengroßer Spin.
Oh oh, gerne würde ich ganz viel dazu schreiben, aber hab gerade keine Zeit. Nur soviel:
Merken die eigentlich nicht, dass die Konzerne (ja, Google ist auch an der Wallstreet, guess what) jetzt dazu übergehen, nicht mehr nur im Verborgenen, sondern ganz offensiv nach der Macht zu greifen - jetzt, da die Welt vor einem beispiellosen wirtschaftlichen Niedergang steht, ausgelöst durch knappe Ressourcen, und der große Verteilungskampf beginnt? Die revolutionäre "Transparenz" ist nichts als ein riesengroßer Spin.
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05. Juli 10
Jaja, ich bin Raucher und so... Und ich ärgere mich unendlich über den bayrischen "Volksentscheid". Hier meine polemischen, teils bescheuerten Argumente.
a) Fangen wir mit dem dümmsten Argument an. Ich halte das dennoch für ein Argument: Was zur Hölle ist mit Euch pinsigen, wehleidigen Nichtrauchern los? Jaja, Passivrauchen ist das schlimmste, was einem in dieser an Übeln nicht armen Gesellschaft passieren kann. Mal ehrlich: Früher ging das doch auch alles. Habt Ihr keine anderen Probleme? Kann doch nicht sein, dass alle Nichtraucher Allergiker sind oder was weiß ich. Heult nicht rum.
b)Was wollt Ihr eigentlich? Fast alle Restaurants, bei denen es ums gute Essen geht sind doch rauchfrei oder haben einen deutlich abgetrennten Raucherbereich. Find ich prima. Ihr wollt in schummrigen Bars versacken und rumsaufen - aber bitte gesund+rauchfrei? Lächerlich. Nochmal: Was wollt Ihr Heulsusen eigentlich?
c) Thema Clubs - ok, das ist etwas schwieriger. Wie ich in vielen Bundesländern gesehen habe, hat sich aber auch hier eine gute Lösung herauskristallisiert: Manche Clubs sind sehr streng, was das Rauchverbot angeht, andere sehen das lockerer, in manchen wird irgendwann zu später Stunde dann doch geraucht, andere scheren sich keinen Deut um das Rauchverbot. Ist das nicht toll? Menschen finden Lösungen und schaffen Alternativen. Militante Nichtraucher und passionierte Raucher können (zumindest in manchen Bundesländern) beide nach ihrer Facon feiern gehen. Überhaupt - wer von Euch Nichtraucher-Aktivisten geht eigentlich in Clubs??
d)Ihr habt doch eh gewonnen. Der Zeitgeist zeigt in Richtung Fitness, Gesundheit, Schlankheit usw. Ich aber frage: Zeugt es von Gesundheit, geifernd und kreuzzüglerisch das Rauchertum zu bekämpfen? Ich denke, Gesundheit hat auch etwas mit Ausgeglichenheit, Gelassenheit und Freude an seinen Mitmenschen zu tun, auch wenn die einen gelegentlich nerven. Das ist jedenfalls, so bin ich überzeugt, für die Gesundheit sehr viel wichtiger als ein bisschen weniger Qualm vom Nachbartisch. Allen blödsinnigen Studien zum Trotz, die heutzutage kursieren und vernünftige politische Debatten zu ersetzen scheinen.
e) Was kommt als nächstes? Keine Mietverträge mehr für Raucher? Das Ordnungsamt auf Hetzjagd nach Menschen, die in Fußgängerzonen rauchen? Höhere Krankenkassenbeiträge für Leute, die nicht nachweislich zweimal die Woche zu McFit rennen und sich von einer "Ernährungsberaterin" ihr Essen diktieren lassen? Ausschank nur ab 22:00 Uhr? Verbot von Weinkonsum in Restaurants mit Terasse zur Straßenseite? Leute, es gibt Millionen von Dingen, die mich belästigen, glaubt mir. Und, das ist kein Scherz, Belästigungen jeglicher Art bedrohen die Gesundheit, davon bin ich überzeugt. Aber sorry, es kann nicht Aufgabe des Gesetzgebers sein, jeder kleinen Belästigung mit weitreichenden Pauschalregelungen vorzubeugen.
Danke.
a) Fangen wir mit dem dümmsten Argument an. Ich halte das dennoch für ein Argument: Was zur Hölle ist mit Euch pinsigen, wehleidigen Nichtrauchern los? Jaja, Passivrauchen ist das schlimmste, was einem in dieser an Übeln nicht armen Gesellschaft passieren kann. Mal ehrlich: Früher ging das doch auch alles. Habt Ihr keine anderen Probleme? Kann doch nicht sein, dass alle Nichtraucher Allergiker sind oder was weiß ich. Heult nicht rum.
b)Was wollt Ihr eigentlich? Fast alle Restaurants, bei denen es ums gute Essen geht sind doch rauchfrei oder haben einen deutlich abgetrennten Raucherbereich. Find ich prima. Ihr wollt in schummrigen Bars versacken und rumsaufen - aber bitte gesund+rauchfrei? Lächerlich. Nochmal: Was wollt Ihr Heulsusen eigentlich?
c) Thema Clubs - ok, das ist etwas schwieriger. Wie ich in vielen Bundesländern gesehen habe, hat sich aber auch hier eine gute Lösung herauskristallisiert: Manche Clubs sind sehr streng, was das Rauchverbot angeht, andere sehen das lockerer, in manchen wird irgendwann zu später Stunde dann doch geraucht, andere scheren sich keinen Deut um das Rauchverbot. Ist das nicht toll? Menschen finden Lösungen und schaffen Alternativen. Militante Nichtraucher und passionierte Raucher können (zumindest in manchen Bundesländern) beide nach ihrer Facon feiern gehen. Überhaupt - wer von Euch Nichtraucher-Aktivisten geht eigentlich in Clubs??
d)Ihr habt doch eh gewonnen. Der Zeitgeist zeigt in Richtung Fitness, Gesundheit, Schlankheit usw. Ich aber frage: Zeugt es von Gesundheit, geifernd und kreuzzüglerisch das Rauchertum zu bekämpfen? Ich denke, Gesundheit hat auch etwas mit Ausgeglichenheit, Gelassenheit und Freude an seinen Mitmenschen zu tun, auch wenn die einen gelegentlich nerven. Das ist jedenfalls, so bin ich überzeugt, für die Gesundheit sehr viel wichtiger als ein bisschen weniger Qualm vom Nachbartisch. Allen blödsinnigen Studien zum Trotz, die heutzutage kursieren und vernünftige politische Debatten zu ersetzen scheinen.
e) Was kommt als nächstes? Keine Mietverträge mehr für Raucher? Das Ordnungsamt auf Hetzjagd nach Menschen, die in Fußgängerzonen rauchen? Höhere Krankenkassenbeiträge für Leute, die nicht nachweislich zweimal die Woche zu McFit rennen und sich von einer "Ernährungsberaterin" ihr Essen diktieren lassen? Ausschank nur ab 22:00 Uhr? Verbot von Weinkonsum in Restaurants mit Terasse zur Straßenseite? Leute, es gibt Millionen von Dingen, die mich belästigen, glaubt mir. Und, das ist kein Scherz, Belästigungen jeglicher Art bedrohen die Gesundheit, davon bin ich überzeugt. Aber sorry, es kann nicht Aufgabe des Gesetzgebers sein, jeder kleinen Belästigung mit weitreichenden Pauschalregelungen vorzubeugen.
Danke.
24. April 10
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25. März 10
Vorgestern machte ich eine schockierende Feststellung. Das Buch ist so gut wie tot.
Das kam so: Müde, aber beschwingt durch den Frühlingsdurchbruch stieg ich in den Bus am Ostbahnhof. Ich schaute etwas verträumt auf den Anzeigebildschirm, doch der schien nicht zu funktionieren. Stattdessen hatte man ein großes, weißes Schild darüber gehängt, auf dem die Endhaltestelle stand.
Moment, dachte ich, wieso sollte man denn sowas machen? Plötzlich war meine ganze Aufmerksamkeit auf den Bildschirm gerichtet. Aber da hängt doch ein großes, weißes Schild!
Ich starrte das Schild an. Irgendwann erschien oben links ein rotes "Stopp" - das Schild war ein Bildschirm! Ich schwöre es, das war das erste Mal, dass mich ein Bildschirm derartig täuscht.
Klarer Fall: Es wird nicht mehr lange dauern, dann liest kein Schwein mehr Bücher. Bibliophile werden weiterhin alte Bücher kaufen, und auch so manches neu erschienene Liebhaberprodukt. Der neueste Roman, der neueste Ratgeber, das Reclam-Heft, der Suhrkamp-Klassiker, der Krimi, das Fachbuch, selbst das Western-Heft, das alles wird digital gelesen werden. Die Technik ist einfach zu gut.
Das kam so: Müde, aber beschwingt durch den Frühlingsdurchbruch stieg ich in den Bus am Ostbahnhof. Ich schaute etwas verträumt auf den Anzeigebildschirm, doch der schien nicht zu funktionieren. Stattdessen hatte man ein großes, weißes Schild darüber gehängt, auf dem die Endhaltestelle stand.
Moment, dachte ich, wieso sollte man denn sowas machen? Plötzlich war meine ganze Aufmerksamkeit auf den Bildschirm gerichtet. Aber da hängt doch ein großes, weißes Schild!
Ich starrte das Schild an. Irgendwann erschien oben links ein rotes "Stopp" - das Schild war ein Bildschirm! Ich schwöre es, das war das erste Mal, dass mich ein Bildschirm derartig täuscht.
Klarer Fall: Es wird nicht mehr lange dauern, dann liest kein Schwein mehr Bücher. Bibliophile werden weiterhin alte Bücher kaufen, und auch so manches neu erschienene Liebhaberprodukt. Der neueste Roman, der neueste Ratgeber, das Reclam-Heft, der Suhrkamp-Klassiker, der Krimi, das Fachbuch, selbst das Western-Heft, das alles wird digital gelesen werden. Die Technik ist einfach zu gut.
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09. März 10
Ich werde demnächst ausführlicher zu Jaron Laniers neuem Buch schreiben ("You are not a gadget") - es bereitet Freude [Edit: Irgendwann vielleicht...]. Vorab aber ein Gedanke, der mir bei der Lektüre kam und der eine der Kernthesen des Buchs zu bestätigen scheint.
These: Kollektive geistige Arbeit wird von der vorherrschenden Internet-Ideologie völlig überbewertet.
Diese These besagt natürlich nicht, dass so etwas wie kollektive Autorenschaft grundsätzlich schlecht sei (liegt eigentlich auf der Hand, aber ein einfacher Satz wird im Internet-Schnellschuss-Verfahren gerne einmal nur halbverstanden, auch so ein Thema). Was Lanier sagen will ist nur: Individuelle Autorenschaft ist in vielen Bereichen dem kollektiven Gemauschel weit überlegen. Die Internet-Ideologen dagegen sind derartig verblendet, dass sie blind den absoluten Primat des Kollektiven behaupten und fordern (deshalb spricht Lanier auch von Netz-Totalitaristen).
Als Beispiel sei der Vergleich zwischen Wikipedia und der Stanford Encyclopedia of Philosophy ans Herz gelegt. Letztere ist eine Online-Enzyklopädie, deren Einträge von einschlägigen wissenschaftlichen Experten auf dem jeweiligen Gebiet verfasst werden. Die Qualität variiert durchaus, ist aber insgesamt hervorragend. Dagegen sind die Wikipedia-Artikel zu philosophischen Themen bisweilen gut, meist unvollständig und häufig einfach nur witzig.
Preisfrage: Würden Sie lieber einen Enzyklopädie-Eintrag von einem anonymen Autorenkollektiv ohne Anspruch auf irgendwas lesen, oder einen, der von einem Experten verfasst wurde, der sein verdammtes Leben genau diesem Thema widmet, über das Sie gerade einen Überblick gewinnen möchten - und dem Sie eine Mail schreiben können, wenn Sie Fragen haben oder Sie etwas stört?
Nur so eine Frage.
Der Punkt ist: Konzepte wie Wikipedia haben ihren Platz. Aber dieser Platz ist kleiner, als es uns viele Internet-Avantgardisten weismachen wollen. Und Lanier hat verdammt recht, wenn er dafür wirbt, dem Autor als Individuum wieder den gebührenden Respekt zu zollen. Und damit ist nicht der ins Netz ballernde Mashup-Autor gemeint, sondern der Autor, der sich Jahre dafür Zeit nimmt, einen Enzyklopädie-Eintrag zu verfassen.
These: Kollektive geistige Arbeit wird von der vorherrschenden Internet-Ideologie völlig überbewertet.
Diese These besagt natürlich nicht, dass so etwas wie kollektive Autorenschaft grundsätzlich schlecht sei (liegt eigentlich auf der Hand, aber ein einfacher Satz wird im Internet-Schnellschuss-Verfahren gerne einmal nur halbverstanden, auch so ein Thema). Was Lanier sagen will ist nur: Individuelle Autorenschaft ist in vielen Bereichen dem kollektiven Gemauschel weit überlegen. Die Internet-Ideologen dagegen sind derartig verblendet, dass sie blind den absoluten Primat des Kollektiven behaupten und fordern (deshalb spricht Lanier auch von Netz-Totalitaristen).
Als Beispiel sei der Vergleich zwischen Wikipedia und der Stanford Encyclopedia of Philosophy ans Herz gelegt. Letztere ist eine Online-Enzyklopädie, deren Einträge von einschlägigen wissenschaftlichen Experten auf dem jeweiligen Gebiet verfasst werden. Die Qualität variiert durchaus, ist aber insgesamt hervorragend. Dagegen sind die Wikipedia-Artikel zu philosophischen Themen bisweilen gut, meist unvollständig und häufig einfach nur witzig.
Preisfrage: Würden Sie lieber einen Enzyklopädie-Eintrag von einem anonymen Autorenkollektiv ohne Anspruch auf irgendwas lesen, oder einen, der von einem Experten verfasst wurde, der sein verdammtes Leben genau diesem Thema widmet, über das Sie gerade einen Überblick gewinnen möchten - und dem Sie eine Mail schreiben können, wenn Sie Fragen haben oder Sie etwas stört?
Nur so eine Frage.
Der Punkt ist: Konzepte wie Wikipedia haben ihren Platz. Aber dieser Platz ist kleiner, als es uns viele Internet-Avantgardisten weismachen wollen. Und Lanier hat verdammt recht, wenn er dafür wirbt, dem Autor als Individuum wieder den gebührenden Respekt zu zollen. Und damit ist nicht der ins Netz ballernde Mashup-Autor gemeint, sondern der Autor, der sich Jahre dafür Zeit nimmt, einen Enzyklopädie-Eintrag zu verfassen.
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24. Februar 10
Gerade in Tagen, da vonseiten der Internet-Schmocks auf Verlage eingedroschen wird, während diese auf Plagiat-Parties dem unwürdigen Ende ihrer eigenen eitlen, gespaltenen, sensiblen Profession entgegenschreien, in Tagen, da ein gesetzter Literaturbetrieb erneut seine schräge Dreifaltigkeit aus Statthaltertum, Kunstimitation und Kommerz offenbart, in solchen Tagen ist "Karl Kraus: Das große Lesebuch" ein echtes Geschenk.
"Stille Kreuzottern zu töten, ist schnöde und der steirische Landtag zahlt für jede 12.[...]Ich zahle für jeden Literarhistoriker 13 Heller. Man folge mir in die Seminare, aber man scheue auch die Redaktionen nicht. Gerade dort nisten sie."
Aber abgesehen von der Freude, die Karl Kraus mit seiner sprachlichen Feuerkraft, mit seinen bösen Beobachtungen und Tiraden bereitet, mit denen er nicht nur, aber zuvorderst den Kulturbetrieb seiner Zeit zersägt, gibt es auch einen ganz handfesten Bezug zur Gegenwart: das Erscheinen des Buchs selbst.
Zunächst fällt mir nämlich die Schönheit der Umschlaggestaltung auf. Vielen neuen Büchern, ob Taschenbuch oder Hardcover, geht jeder bibliophiler Appeal vollständig ab. Eine Erklärung dafür, wenn auch keine hinreichende, mag wohl in der allgemeinen Amerikanisierung des Coverdesigns liegen: Groß, laut, verspielt. Umso schöner, dass man das Taschenbuch "Karl Kraus - Das große Lesebuch" optisch durchaus genießen kann. Und anfassen: Das Fischer-Logo ist gestanzt, was den Eindruck tatsächlich stark aufwertet.
Auch inhaltlich muss man Herausgeber und Verleger ein Kompliment machen: Das Buch enthält einen schönen Querschnitt aus Kraus' Werk, sortiert nach Themen, angereichert mit umfangreichen biographischen Daten und mehreren (guten!) Einträgen aus Kindlers Literatur Lexikon. Ich bin nicht unbedingt ein Fan des Konzepts "Lesebuch", aber hier macht es großen Sinn. Bei allem Schimpfen auf die ewiggestrigen Verlage und/oder sich ergehen in Nostalgie: Man muss eine solche verlegerische Leistung auch mal anerkennen, dieses Buch ist durchdacht, es steckt Liebe darin!
Natürlich gibt es auch zu nörgeln: Der Satzspiegel ist zu breit. Das Schriftbild überzeugt mich nicht. Warum traut sich eigentlich kein Verlag ein wenig mit der Typo zu experimentieren? Ich finde schon, dass bei einem Karl Kraus eine andere Schrift angemessen ist als bei einem Marketing-Ratgeber. Es muss ja nicht gleich penetrant retro sein. Nur subtil ein wenig mehr Schlüssigkeit. Da kann man viel machen.
Tja, und so stellt sie sich dar, die Verlagswelt von heute: Eingekeilt zwischen Amazon und Thalia/Hugendubel, abgegraben durch das Internet, sich rettend von billigem Hype zu billigem Hype als letzte Sprünge in einem grellen Tanz auf dem Weg in die Vergessenheit. Und irgendwo dazwischen, mitten im Gemenge ein paar versprengte Typen, die den berechtigten Stolz dieser traditionsreichen Branche noch erkennen lassen.
"Stille Kreuzottern zu töten, ist schnöde und der steirische Landtag zahlt für jede 12.[...]Ich zahle für jeden Literarhistoriker 13 Heller. Man folge mir in die Seminare, aber man scheue auch die Redaktionen nicht. Gerade dort nisten sie."
Aber abgesehen von der Freude, die Karl Kraus mit seiner sprachlichen Feuerkraft, mit seinen bösen Beobachtungen und Tiraden bereitet, mit denen er nicht nur, aber zuvorderst den Kulturbetrieb seiner Zeit zersägt, gibt es auch einen ganz handfesten Bezug zur Gegenwart: das Erscheinen des Buchs selbst.
Zunächst fällt mir nämlich die Schönheit der Umschlaggestaltung auf. Vielen neuen Büchern, ob Taschenbuch oder Hardcover, geht jeder bibliophiler Appeal vollständig ab. Eine Erklärung dafür, wenn auch keine hinreichende, mag wohl in der allgemeinen Amerikanisierung des Coverdesigns liegen: Groß, laut, verspielt. Umso schöner, dass man das Taschenbuch "Karl Kraus - Das große Lesebuch" optisch durchaus genießen kann. Und anfassen: Das Fischer-Logo ist gestanzt, was den Eindruck tatsächlich stark aufwertet.
Auch inhaltlich muss man Herausgeber und Verleger ein Kompliment machen: Das Buch enthält einen schönen Querschnitt aus Kraus' Werk, sortiert nach Themen, angereichert mit umfangreichen biographischen Daten und mehreren (guten!) Einträgen aus Kindlers Literatur Lexikon. Ich bin nicht unbedingt ein Fan des Konzepts "Lesebuch", aber hier macht es großen Sinn. Bei allem Schimpfen auf die ewiggestrigen Verlage und/oder sich ergehen in Nostalgie: Man muss eine solche verlegerische Leistung auch mal anerkennen, dieses Buch ist durchdacht, es steckt Liebe darin!
Natürlich gibt es auch zu nörgeln: Der Satzspiegel ist zu breit. Das Schriftbild überzeugt mich nicht. Warum traut sich eigentlich kein Verlag ein wenig mit der Typo zu experimentieren? Ich finde schon, dass bei einem Karl Kraus eine andere Schrift angemessen ist als bei einem Marketing-Ratgeber. Es muss ja nicht gleich penetrant retro sein. Nur subtil ein wenig mehr Schlüssigkeit. Da kann man viel machen.
Tja, und so stellt sie sich dar, die Verlagswelt von heute: Eingekeilt zwischen Amazon und Thalia/Hugendubel, abgegraben durch das Internet, sich rettend von billigem Hype zu billigem Hype als letzte Sprünge in einem grellen Tanz auf dem Weg in die Vergessenheit. Und irgendwo dazwischen, mitten im Gemenge ein paar versprengte Typen, die den berechtigten Stolz dieser traditionsreichen Branche noch erkennen lassen.
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20. Februar 10
Seit Käptn Blaubär weiß jedes Kind, dass Seemansgarn eigentlich etwas Schönes ist. Es geht dabei nämlich um gute Geschichten. Und gute Geschichten zu erzählen ist sauschwer.
Das, was uns Michael Seemann in seinem neuen Blog bei faz.net serviert, hat leider mit guten Geschichten so wenig zu tun wie eine Abhandlung von Niklas Luhmann mit gutem Sprachstil. Aber was will man erwarten von einem Denker, der sein Denken in einen Zettelkasten ausgelagert hat, gewissermaßen die Verkörperung des bienenfleißigen, aber todlangweiligen Schmetterlingssammler-Akademikers in der geisteswissenschaftlichen Tautologie-Edition.
Zweifellos also wäre die Bezeichnung Seemannsgarn eine Auszeichnung, die Seemanns Blog nicht verdient.
Bei Seemanns zweitem Streich weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Ich presche einfach mal vor.
Da wäre zunächst die Bereitschaft Seemanns, seine Bücher zu verschenken. Er meint natürlich wegschmeißen, traut sich das nur nicht zu sagen. Shocking.
Da wäre die Belanglosigkeit der einzigen Geschichte, die er erzählt, nämlich die von seiner Twitter-Erweckung am Kottbusser Tor. Lieber Herr Seemann, was Sie beschreiben, ist nichts weiter als die Faszination, die ich als Kind verspürte, als ich das erste Mal ein Walkie-Talkie benutzte.
Da wäre das unzusammenhängende Namedropping von meist postmodernen Schwurbelgenossen, die kaum erklärt geschweige denn in die Argumentation eingefügt werden. "Komplexitätsreduzierendes Modell von der Realität", und jetzt?
Klar, möchte man anfügen, wir haben eine Theorie von der Welt, und diese passen wir an die Daten an, die wir von der Welt über unsere Sinne erhalten. Wobei wir - um einen Gedanken vom großen Quine aufzugreifen - eher geneigt sind unsere Theorie an der Peripherie anzupassen, wohingegen wir unsere Kernüberzeugungen trotz bisweilen überwältigender Evidenz nicht antasten.
Bei Seemann scheint dieser Theoriekern aus folgenden Überzeugungen zu bestehen:
1) Mein Denken verändert sich fundamental durch den Prozess der extremen elektronischen Interaktion mit Gleichgesinnten
2) Dies wird sich künftig in der Qualität potenzieren
3) Dieses Schicksal ist die Zukunft
Am ehesten würde ich 2) zustimmen, denn das Ende der Bullshit-Fahnenstange ist mit inzestiösen Twitterzirkeln mit Sicherheit noch nicht erreicht. Folglich muss ich auch 1) zustimmen, mit der Ergänzung, dass "fundamental" ziemlich übertrieben ist und dass sich das Denken durch extreme elektronische Interaktion mit Gleichgesinnten tatsächlich ändert - im Sinne nämlich von "es verkümmert".
Was 3) betrifft, gibt es zum Glück ganz überwältigende Hinweise aus der wunderbaren Sinneswahrnehmung, dass die allermeisten Menschen auf elektronische, extreme Dauerkommunikation so wenig Lust haben wie Herr Seemann darauf, seine Kernüberzeugungen an seine Sinneswahrnehmung anzupassen. Aber wer nur auf den Twitterschirm schaut, dessen Sinnesdaten sind vielleicht auch einfach etwas beschränkt.
DISCLAIMER: Ich kenne weder Herrn Seemann noch andere Berliner Netz-Apologeten persönlich. Da Herr Seemann offensichtlich auch provozieren möchte, ist scharfe Kritik ja durchaus als Zeichen zu werten, dass ihm das gelingt.
Das, was uns Michael Seemann in seinem neuen Blog bei faz.net serviert, hat leider mit guten Geschichten so wenig zu tun wie eine Abhandlung von Niklas Luhmann mit gutem Sprachstil. Aber was will man erwarten von einem Denker, der sein Denken in einen Zettelkasten ausgelagert hat, gewissermaßen die Verkörperung des bienenfleißigen, aber todlangweiligen Schmetterlingssammler-Akademikers in der geisteswissenschaftlichen Tautologie-Edition.
Zweifellos also wäre die Bezeichnung Seemannsgarn eine Auszeichnung, die Seemanns Blog nicht verdient.
Bei Seemanns zweitem Streich weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Ich presche einfach mal vor.
Da wäre zunächst die Bereitschaft Seemanns, seine Bücher zu verschenken. Er meint natürlich wegschmeißen, traut sich das nur nicht zu sagen. Shocking.
Da wäre die Belanglosigkeit der einzigen Geschichte, die er erzählt, nämlich die von seiner Twitter-Erweckung am Kottbusser Tor. Lieber Herr Seemann, was Sie beschreiben, ist nichts weiter als die Faszination, die ich als Kind verspürte, als ich das erste Mal ein Walkie-Talkie benutzte.
Da wäre das unzusammenhängende Namedropping von meist postmodernen Schwurbelgenossen, die kaum erklärt geschweige denn in die Argumentation eingefügt werden. "Komplexitätsreduzierendes Modell von der Realität", und jetzt?
Klar, möchte man anfügen, wir haben eine Theorie von der Welt, und diese passen wir an die Daten an, die wir von der Welt über unsere Sinne erhalten. Wobei wir - um einen Gedanken vom großen Quine aufzugreifen - eher geneigt sind unsere Theorie an der Peripherie anzupassen, wohingegen wir unsere Kernüberzeugungen trotz bisweilen überwältigender Evidenz nicht antasten.
Bei Seemann scheint dieser Theoriekern aus folgenden Überzeugungen zu bestehen:
1) Mein Denken verändert sich fundamental durch den Prozess der extremen elektronischen Interaktion mit Gleichgesinnten
2) Dies wird sich künftig in der Qualität potenzieren
3) Dieses Schicksal ist die Zukunft
Am ehesten würde ich 2) zustimmen, denn das Ende der Bullshit-Fahnenstange ist mit inzestiösen Twitterzirkeln mit Sicherheit noch nicht erreicht. Folglich muss ich auch 1) zustimmen, mit der Ergänzung, dass "fundamental" ziemlich übertrieben ist und dass sich das Denken durch extreme elektronische Interaktion mit Gleichgesinnten tatsächlich ändert - im Sinne nämlich von "es verkümmert".
Was 3) betrifft, gibt es zum Glück ganz überwältigende Hinweise aus der wunderbaren Sinneswahrnehmung, dass die allermeisten Menschen auf elektronische, extreme Dauerkommunikation so wenig Lust haben wie Herr Seemann darauf, seine Kernüberzeugungen an seine Sinneswahrnehmung anzupassen. Aber wer nur auf den Twitterschirm schaut, dessen Sinnesdaten sind vielleicht auch einfach etwas beschränkt.
DISCLAIMER: Ich kenne weder Herrn Seemann noch andere Berliner Netz-Apologeten persönlich. Da Herr Seemann offensichtlich auch provozieren möchte, ist scharfe Kritik ja durchaus als Zeichen zu werten, dass ihm das gelingt.
20. Februar 10
Rafft es Westerwelle demnächst politisch dahin? Wegen eines bisschen absoluten politischen Versagens?
Ich würde nicht darauf wetten. Und dennoch demontiert er sich gerade genüsslich selbst. Man kann sich das kaum mit ansehen.
Es gäbe vieles zu sagen über seine aktuellen polemischen Nebelkerzen, die einigermaßen dumm sind. Ich möchte das an dieser Stelle allerdings nicht tun, sondern auf einen der Ausgangspunkte von Westerwelles Misere hinweisen: Er hätte niemals Außenminister werden dürfen.
Schauen wir uns seine beiden Optionen nach der Wahl genauer an. Zunächst das Außenamt:
pro
Zum Finanzministerium:
pro
Ich glaube tatsächlich, dass die Besetzung des Finanzministeriums durch Westerwelle ein genialer Coup gewesen wäre. Er hatte die freie Postenwahl - zur Not hätte er einen der anderen FDP-Posten opfern können, wobei die Wahl leicht auf den Hanebüchenen Heidelberger gefallen wäre.
Aber Westerwelle hatte nicht den Mumm, mit der Tradition zu brechen. Er wollte die Aura des bewunderten Außenministers, er, der so lange gewartet hat. Nur: gegen Merkel und KTG hat er auf diesem Gebiet keine Chance. Als Finanzminister und Vizekanzler hingegen hätte er wichtige Teile des FDP-Programms effektiv durchziehen können. An ihm ginge nichts vorbei. Es wäre mutig und clever gewesen. Er hätte nach und nach an Profil gewonnen. Es kam anders.
Ich würde nicht darauf wetten. Und dennoch demontiert er sich gerade genüsslich selbst. Man kann sich das kaum mit ansehen.
Es gäbe vieles zu sagen über seine aktuellen polemischen Nebelkerzen, die einigermaßen dumm sind. Ich möchte das an dieser Stelle allerdings nicht tun, sondern auf einen der Ausgangspunkte von Westerwelles Misere hinweisen: Er hätte niemals Außenminister werden dürfen.
Schauen wir uns seine beiden Optionen nach der Wahl genauer an. Zunächst das Außenamt:
pro
- traditionell zweitwichtigster Posten in Regierung
- ungefährlicher Posten, da deutsche Außenpolitik (außer Afghanistan) in Öffentlichkeit kaum diskutiert
- umgeben von Aura: staatsmännisch, weltbürgerlich
- FDP-Tradition
- bereits zwei hoch profilierte Außenpolitiker in der Regierung: Merkel und KTG
- Außenamt hat in den letzten zwei Jahrzehnten schrittweise enorm an Bedeutung verloren - relevante Außenpolitik ist spätestens seit G8 Sache des Kanzleramts
- Trotz FDP-Tradition im AA liegt der Kern der FDP-Identität in der Steuer-, Wirtschafts- und Sozialpolitik - damit hat das Auswärtige Amt am allerwenigsten zu tun
Zum Finanzministerium:
pro
- größte innenpolitische Macht aller Ministerien
- wichtigste Schaltstelle für zentrale FDP-Forderungen (insb. Steuerpolitik)
- weniger Auslandsreisen, dadurch mehr Präsenz in Berlin
- hätte Merkel in ihrem Personalkalkül überrascht und dadurch geschwächt
- Aura des Buh-Manns und Kassenwarts
- Bruch mit FDP-Tradition
Ich glaube tatsächlich, dass die Besetzung des Finanzministeriums durch Westerwelle ein genialer Coup gewesen wäre. Er hatte die freie Postenwahl - zur Not hätte er einen der anderen FDP-Posten opfern können, wobei die Wahl leicht auf den Hanebüchenen Heidelberger gefallen wäre.
Aber Westerwelle hatte nicht den Mumm, mit der Tradition zu brechen. Er wollte die Aura des bewunderten Außenministers, er, der so lange gewartet hat. Nur: gegen Merkel und KTG hat er auf diesem Gebiet keine Chance. Als Finanzminister und Vizekanzler hingegen hätte er wichtige Teile des FDP-Programms effektiv durchziehen können. An ihm ginge nichts vorbei. Es wäre mutig und clever gewesen. Er hätte nach und nach an Profil gewonnen. Es kam anders.
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